Kurzsichtig oder weitsichtig?

Was ist der Unterschied zwischen kurzsichtig und weitsichtig?

Mehr als jeder zweite Deutsche ist kurz- oder weitsichtig. Die einen sehen in der Ferne schlecht, die anderen in der Nähe. Doch ist es wirklich so simpel? Und an welcher Stelle läuft bei dem komplexen Sehvorgang eigentlich etwas schief?

Mehr als jeder vierte Deutsche ist laut Berufsverband der Augenärzte Deutschlands (BVA) kurzsichtig. Die Myopie, wie diese Sehschwäche wissenschaftlich korrekt heißt, hat in den vergangenen Jahrzehnten deutlich zugenommen. Die Tendenz ist steigend. Noch mehr Deutsche, nämlich jeder Dritte, leidet unter Weitsichtigkeit. Gut 60 Prozent der deutschen Bevölkerung ist somit von diesen beiden Fehlsichtigkeiten betroffen. Ob nun kurz- oder weitsichtig – beide Sehschwächen behindern Menschen in erheblichem Maße, sich in der Umwelt zu orientieren und ihre alltäglichen Aufgaben zu bewältigen. Ohne Brille oder Linse geht fast nichts. Aber was unterscheidet eigentlich genau Kurzsichtigkeit von Weitsichtigkeit und welche Probleme haben die Betroffenen genau?

Der Kurzsichtige sieht in der Ferne alles verschwommen.

Kurzsichtige erkennt man gelegentlich daran, dass sie die Augen häufig zusammen kneifen, um in der Ferne besser und schärfer zu sehen. Alles, was weit weg ist, nehmen sie nur verschwommen wahr. So kann der Betroffene im Kino nicht erkennen, was sich da oben auf der Leinwand abspielt, es sei denn, er setzt sich in die erste Reihe. Auch fällt es dem Kurzsichtigen schwer, sich in einer fremden Umgebung zu orientieren, da er beim besten Willen die Straßenschilder und Hausnummern nicht lesen kann. Kurzsichtig zu sein, hat jedoch nicht nur Nachteile. Denn in der Nähe sehen Kurzsichtige besser als Normalsichtige, also superscharf. Beim Lesen und Arbeiten am Bildschirm haben Sie den vollen Durchblick!

Wann beginnt Kurzsichtigkeit?

Kursichtigkeit beginnt meist zwischen dem zehnten und zwölften Lebensjahr. Eltern können die sogenannte „Schulmyopie“, wie diese Sehschwäche von Fachleuten bezeichnet wird, meist leicht feststellen, indem sie das Alltagsverhalten ihres Kindes beobachten: Sitzt es so dicht vor dem Fernseher, dass ein Normalsichtiger gar nichts mehr erkennen würde. Oder berührt seine Nase beim Lesen fast schon das Buch? Sofern es sein Verhalten auch dann nicht verändert, nachdem es darauf hingewiesen und korrigiert worden ist, ist es ratsam, einen Sehtest machen zu lassen. Bis zum Alter von 14 Jahren wird das Rezept vom Augenarzt verordnet. Meist nimmt die Kurzsichtigkeit ab dem Alter von 25 Jahren nicht mehr weiter zu. Sofern diese jedoch weiter fortschreitet, wird die Sehschwäche immer schlimmer. Nicht selten werden hohe Werte von mehr als 6 bis zu 10 Dioptrien erreicht.

Was sind die Ursachen für Kurzsichtigkeit und Weitsichtigkeit?

Bei einem normalen Auge werden die parallel ankommenden Lichtstrahlen exakt auf der Netzhaut gebündelt und gebrochen, so dass ein exakt scharfes Bild entsteht. Beim Kurzsichtigen vereinigen sich die Lichtstrahlen hingegen schon vor der Netzhaut. Ursachen der Myopie sind entweder ein zu langer Augapfel oder ein zu hoher Brechwert der Augenlinse. Manchmal trifft auch beides zu. Beim Weitsichtigen verhält es sich umgekehrt: sein Augapfel ist meist zu kurz und die Brechkraft seines Auges reicht nicht aus, um das einfallende Licht, rechtzeitig in der Netzhaut zu bündeln. Die Strahlen werden deshalb erst hinter dem Brennpunkt gebündelt.

Warum nimmt die Anzahl der Kurzsichtigen zu?

Die Frage, die viele Wissenschaftler und Augenmediziner beschäftigt: Warum steigt die Quote der Kurzsichtigkeit immer weiter an, während diese bei Weitsichtigkeit mehr oder minder gleich bleibt? Die Ursachen liegen immer noch im Dunkeln. Es gibt jedoch erste Erklärungsansätze. So vermuten einige Wissenschaftler, dass es einen Zusammenhang zwischen Kurzsichtigkeit und Naharbeit gibt. Je häufiger ein Auge Tätigkeiten direkt vor seiner Nase ausführt, desto größer ist das Risiko, dass es kurzsichtig wird. Denn dabei muss sich das Sehorgan immer wieder so einstellen, dass der Brennpunkt des Lichts knapp vor der Netzhaut liegt. Dazu macht es sich einen Mechanismus zunutze, den das menschliche Auge für das Sehen in der Nähe benötigt: die sogenannte Akkomodation. Mancher Sehexperte mutmaßt, dass sich das Auge irgendwann nicht mehr auf die Ferne einstellen kann, da es sich anatomisch verändert hat. Bewiesen ist das allerdings bislang nicht!

Weitsichtige sehen in der Nähe nicht so gut.

Weitsichtigkeit, medizinisch korrekt Hyperopie genannt, ist hingegen in jedem Fall angeboren. Weitsichtige können im Nahbereich nicht gut sehen. Ob nun Bücher, Straßenkarten oder ein Navigationsgerät, sie können weder Buchstaben noch Skizzen richtig erkennen. Bis zu einem gewissen Grad kann das weitsichtige Auge die Sehschwäche noch selber ausgleichen. Spannen sich die Ziliarmuskeln an, wird die Linse gedehnt und in eine flachere Form gezogen. Dadurch verändert sich die Brechkraft der Augenlinse. Um in der Nähe gut sehen zu können, müssen Weitsichtige ihre Augenmuskeln allerdings enorm anstrengen. Während junge Menschen Weitsichtigkeit noch recht gut ausgleichen, verschlechtert sich ab dem Erwachsenenalter die Sehschwäche meist spürbar. Bei langer und intensiver Naharbeit, also beispielsweise beim langen Lesen, ermüden die Augen aufgrund der andauernden Beanspruchung der Ziliarmuskeln. Weitsichtige leiden deshalb nicht selten unter Kopfschmerzen und sogar Schwindel. Traurig aber wahr. Nicht jeder Weitsichtige kann in der Ferne superscharf sehen. In manchen Fällen muss sich auch hier die Linse akkomodieren. Allerdings ist die Fehlsichtigkeit in der Ferne nicht so stark wie im Nahbereich. Die Augenmuskulatur wird deshalb nicht ganz so stark beansprucht.

Im Straßenverkehr ist optimale Sehschärfe ein Muss.

Aufgepasst: Für Autofahrer wie auch für Radfahrer aber auch für Fußgänger birgt sowohl die Weitsichtigkeit als auch die Kurzsichtigkeit ein nicht zu unterschätzendes Risiko. Beide können Verkehrssituationen nicht gut einschätzen und reagieren deshalb falsch oder zu spät darauf. Um sich im Straßenverkehr sicher bewegen zu können, ist deshalb eine Sehhilfe unverzichtbar.

Wie wird Fehlsichtigkeit korrigiert und gemessen?

Wie stark die Fehlsichtigkeit im individuellen Fall ist, kann ein Augenarzt oder ein Optiker mithilfe eines Sehtests bestimmen. Um zu überprüfen, wie gut die Augen in die Ferne und in die Nähe schauen können, müssen die Betroffenen unterschiedlich große Buchstaben oder Zeichen erkennen. Sowohl Kurz- als auch Weitsichtigkeit können mit einer Sehhilfe problemlos korrigiert werden. Während Kurzsichtigkeit mit einer Zerstreuungslinse behoben wird, gleichen Sammellinsen Weitsichtigkeit aus. Die jeweiligen Korrektionslinsen verschieben den Punkt, an dem ferne und nahe Gegenstände scharf abgebildet werden jeweils so weit, dass er wieder in der Netzhaut liegt, also dahin wo er hingehört.

Was ist Dioptrie eigentlich?

Die Brechkraft der Augenlinse wird mit der Maßeinheit Dioptrie gemessen. Bei Fehlsichtigkeit weicht die Zahl vom Normalwert (60 bis 65 dpt) ab. Ist die Dioptrienzahl höher, handelt es sich um Weitsichtigkeit, die mit einem Plus (+) angegeben wird. Bei Kurzsichtigkeit liegt die Dioptrienzahl unter dem Normalwert und wird in Minus (-) angegeben.

Für viele kommt die Brille auf Rezept!

Eine gute Nachricht zum Schluss: Gesetzlich Versicherte bekommen bei mehr als 6 Dioptrien eine Brille auf Rezept. Die Regelungen gelten gleichermaßen für Kurz- als auch für Weitsichtige. Patienten mit einer Hornhautverkrümmung wird bereits ab 4 Dioptrien eine Sehhilfe von der gesetzlichen Krankenkasse bezahlt. Das geht aus dem Gesetz zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelverordnung hervor, das im April 2017 vom Bundestag beschlossen worden ist.